Nachdem die DÖDELHAIE im Januar 2006 in Cuba unterwegs waren, ging die Reise nun Richtung Osten. Gemeinsam mit der Kölner Punklegende Supernichts waren die Jungs vor einigen Wochen in Russland und Dödelhaie Sänger Andy berichtet exklusiv aus dem ehemaligen "Reich der roten Gefahr "!!
„Willkommen ins Moskau, bitte lassen sie ihre Waffen in der Maschine und verlassen sie ruhig und gesittet das Flugzeug“. Die Stimme der Stewardess schreckte mich kurz aus meinen Träumen. Wir
waren da. Mitten im Herzen des einstigen Klassenfeindes. Im Zentrum der roten Gefahr. In der Brutstätte des internationalen Kommunismus.
Ein Schauer der Erkenntnis lief mir über den Rücken. Aber wir tapferen Dödelhaie sind ja sozusagen die anarchistisch musikalische Eingreiftruppe der deutschen Punkszene. Überall da wo wir
gebraucht werden, überall dort wo andere Musikrichtungen an Einfluss gewinnen könnten, da werden wir Haie gerufen um die Sache in Ordnung zu bringen. Kein Land ist uns zu weit und keine Mission
zu gefährlich. Ähem..und kein Bier zu lecker....
Nach einem Blick in den Schulatlas wurde uns aber klar, daß Russland dann doch etwas groß, um nicht gar zu sagen gigantisch, verfickt groß ist. So beschlossen wir auch, unsere Reserveeinheiten in
Form von verbündeten Punkbands mit ins Gefecht zu schicken. Es traf die Reservisten von SUPERNICHTS. Schon seit Jahren hatten sie das kleingedruckte im Plattenvertrag übersehen. Dort wo
geschrieben stand, daß sie auf Anforderung der Dödelhaie jederzeit und an jedem Ort als musikalische Verstärkungstruppe eingesetzt werden können. Das unschöne Wort von Kanonenfutter machte hinter
vorgehaltener Hand die Runde...
Schon Tage vor dem Abflug hatte ich in zahlreichen Telefonaten dem Gitaristen Frank alle möglichen Schauergeschichten aus dem russischen Riesenreich erzählt, die mir einfielen. Von marodierenden
Nazihorden über versprengte KGB Einheiten, die gezielt Jagd auf Ausländer machen, bis hin zu verwilderten russischen Bären die hungrig durch sibirische Kleinstädte streichen war alles dabei.
Fairerweise muss man sagen, daß der Genosse Frank sich am Telefon noch sehr souverän gezeigt hat. Ab und an schluckte er mal und fragte: " Echt ?" oder "Bist du sicher?" Ich denke mal, daß er
immer nach dem Auflegen des Hörers weinend zusammengebrochen ist und von seiner schwangeren Frau stundelang getröstet werden musste. Aber sie haben nicht gekniffen und waren nun mit uns in Moskau
gelandet. Mitgefangen, mitgehangen .
Nach einigen kleineren Zwischenfällen mit meinem Reisepass ( er war in einem zerflederten desolaten Zustand und sah einem Pass nur noch entfernt ähnlich ) kam ich als letzter durch die
Passkontrolle. Am Ausgang des Flughafens wurden wir von unserem russischen Veranstalter Dimitri abgeholt. Sein Nachnahme war nicht bekannt und auch geheim. Nach einigem Händeschütteln und
Schulterklopfen wurden wir Dödelhaie und Supernichts in einen Kleinbus mit verhangenen Fenstern geschoben.
Damit wir uns nicht zu sehr beunruhigten, zog Dimitri eine Trumpfkarte aus der Ladefläche des Fahrzeuges. Eine fette Kiste Willkommensbier !! Schnell hielten wir uns alle an einem Fläschen fest
und drückten das Getränk wie eine guten Freund an uns. Die Stimmung war gut, als der Wagen durch Moskau raste und wir hinter den Vorhängen die stalinistischten Prachtbauten der russischen
Hauptstadt erahnen konnten. Auch bei späteren Stadtbesichtigungen fiel uns der unglaubliche Baustil auf, der in Moskau vor-herrschend war. Wie doof der Herr Stalin auch war, einen guten
Immobiliengeschmack hat er wohl allemal gehabt. Da hätten sich solche Kleingeister wie Speer und Konsorten mal einen Ziegel abschneiden können. Die Gebäude waren sehr hoch, düster und wirkten wie
moderne Burgen oder Festungen. Es war eine Atmosphäre wie in Batman Filmen, wenn es Nacht über Gotham City wird und der Fledermausmann durch den Himmel schwingt. Nur heißt hier der Fledermausmann
nicht Batman sondern Dimitri.
Die erste Nacht mussten wir in einem kleinen, putzigen Motel untergebracht werden, weil wir einen offiziellen Stempel im Pass benötigten, damit wir korrekt in einer russischen Unterkunft gemeldet sind. Gegen ein paar kleinen Aufmerksamkeiten und ein geschenktes Super-nichts Girlie bestätigte uns das nette Mädel an der Rezeption auch, daß wir die nächsten 10 Jahre in diesem Motel gemeldet sind und so konnten wir am zweiten Tag in die Wohnung von Dimitri umziehen.
Dieser gab uns auch gleich eine ganze Reihe von Verhaltenstips und Regeln mit auf den Weg, welche wir tunlichst beachten sollten, wenn wir an einem Überleben in Russland interessiert wären. Nun war es an mir zu schlucken, weil ich nach kurzer Zeit feststellte, daß alle meine Schauergeschichten welche ich Supernichts erzählt hatte wohl im groben zutrafen.
Speziell die Nazis waren wohl in Moskau ein riesiges Problem. Mit einem „punkigen“ Outfit war man dort Freiwild in den Strassen. Die rechte Szene in Moskau ist um ein vielfaches stärker und tödlicher als sie das bei uns in Deutschland ist. Der Widerstand in der Punk Szene und die antifaschistischen Strukturen dagegen sind noch im Aufbau. So zumindest schien es uns. Die Punks waren zwar dabei, an Stärke zu gewinnen, aber es würde wohl noch Jahre dauern bis sie den rechten Deppen ernsthaften Widerstand entgensetzten können. Alleine die Tatsache, daß es russische Nazis gibt und zwar solche, die sowohl Hitler als auch Stalin vergöttern, bestätigte mal wieder wie hoch der IQ eines Faschisten ist. Kaum messbar. Es hat doch ungefähr die Qualität eines Rindes welches gerade in den Schlachthof geschoben wird und noch stolz muht: „Mc Donalds, ich liebe es.
Unser erstes Konzert fand auch direkt in Moskau statt. Die Umstände und Eindrücke waren verwirrend und wir zogen den Vergleich, daß wir die Strukturen und Denkweisen der Leute in Kuba besser
nachvollziehen konnten, als die der Russen ( siehe Dödelhai Tour in Cuba Januar 06). Nachdem die Nazis beschlossen hatten, den Konzertort anzugreifen musste der Clubbesitzer sich Bullen mieten.
Ja, wir dachten auch, wir hätten das irgendwie falsch verstanden, aber so war das. Rent a Cop... Freiwillig kamen die Uniformierten nicht. Man musste schon sagen wie viele man braucht und wie
viel einem das wert war. Gleichzeitig erklärte uns Dimitri, daß wir mit der nicht vorhandene Intelligenz der Nazis kalkulieren könnten, wenn es darum ging, lebend zum Club zu kommen. Es gab
Hinweise darauf, daß man die Bands auf dem Weg zum Club angreifen wollte und so wurde von Dimitri einfach entschieden, daß wir zwei Studen eher auf einem Schleichweg zum Club marschieren sollten.
Ohne groß Aufsehen zu erregen und am besten spießig gekleidet. Bei Supernichts kein Problem. Eine Band die sich freiwillig auf der Bühne in Pullunder zwängt hat mit spießiger Tarnung keine
wirkliche Herausforderung zu bewältigen. Wir Haie zogen uns so gewöhnlich wie möglich an und marschierten kreuz und quer durch Moskau.
So kam man dann gegen 2 Uhr am besagten Club an während die Todeskommandos der hiesigen Faschisten erst ab 16 Uhr parat standen. Der Clunb selber war wohl normalerweise ein Strip Club für reiche
Mafiosi. Zahlreiche Bilder von Mädels und diversen Tanzstangen zierten die edlen Wände und Gänge. Roter Plüsch und dezente Beleuchtung machte einem schon klar, welche Partys hier in der Regel
abgingen. Der Club füllte sich rasch mit zahlreichen Punks und anderen Russen. Das Publikum war ausgesprochen nett und neugierig. Man kam schnell ins Gespräch über Punk, den Westen und wie es bei
uns in Deutschland wohl so ist. Die Stimmung war ausgelassen. Beklemmend wurde es dann wieder, als ich und Frank mal kurz aus dem Laden rauswollten um uns irgendwo einen Snack zu kaufen. Wir
waren gerade in der Nähe des Ausganges als wir von Dimitri und seinen Genossen abgefangen wurden.
„ Wo wir denn hinwollen“, wurden wir gefragt und ob wir denn lebensmüde wären, den Club jetzt zu verlassen wo draußen Nazischergen und Bullen sich ein Techtelmechtel gaben.“ Aber wir sind die
Dödelhaie un haben keine Angst“ protestiert ich kleinlaut, als man uns vom Ausgang wegschob und in Richtung Konzertraum drängte. Vergebens. Der Veranstalter machte uns klar, daß wir auch mit
beiden Bands keine Chance hätten jetzt vor dem Club zu überleben und so ließen wir uns mit nur noch mäßigem Protest zurück begleiten. Das Konzert selber war genial. Supernichts und die Dödelhaie
wurden abgefeiert Supernichts erschlichen sich die Sympathien der Massen, indem der Sänger Bert mit seinen russischen Sprach-brocken die Menge begeisterte, während die Dödehaie ihre Geheimwaffe
„Heute Nacht“ zweimal spielten. Das Stück basiert ja auf dem russischen Lied „ Katjusha“ und war jedem Russen bestens bekannt. Die Punks dort haben auch eine andere , noch nie gesehene Art des
Pogens erfunden. Sie pogen im Kreis. Ja, wirklich im Kreis. Dabei entsteht nach einer gewissen Zeit ein richtiger Strudel aus Armen und Beinen. Bestimmt machen sie dies, um die Bands zu
hypnotisieren, damit die alle nach und nach von der Bühne springen und vom Strudel der Anarchie aufgesogen werden.
Es gäbe noch soviel zu erzählen. Von der blonden Olga, die unbedingt einen Musiker zum Freund wollte und bei ihren Anmachversuchen selbst vor meiner Freundin Glöckchen nicht halt machte (
Männlein, Weiblein, Außerirdischer, egal...) oder von dem russischen Söldner der irgendwo in der Nacht in einer kleinen Provinzstadt den Achim von Supernichts beim Schlafittchen packte und
bedrohlich murmelte: " Hey, my name is Vlad. I shot 5 Tchetshens but I won’t shoot you. Wodka?”.
Aber der Platz hier ist begrenzt und so kann es nur bei ein paar flüchtigen Eindrücken bleiben. Es wird aber sicher bald einen längeren Artikel in diversen Zeitungen über die zahlreichen
Abenteuer unser Punkhelden im Land der unwahrscheinlichen Möglichkeiten geben. So und jetzt noch rasch einen Wodkasüppchen auf den Herd gestellt und eine melancholische russische Volksweise
angestimmt.